Bilanzielle Behandlung einer Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB und sonstiger Schuldbeitritte
Der Übernehmer hat die gleichen Bilanzierungsvorschriften zu beachten, die auch für den ursprünglich Verpflichteten am Bilanzstichtag gegolten hätten, wenn er die Verpflichtung nicht übertragen hätte. Unterlag der ursprünglich Verpflichtete nicht dem deutschen Steuerrecht, ist der Wert maßgebend, der nach den Regelungen des EStG oder KStG anzusetzen gewesen wäre. Dadurch wird sichergestellt, dass der Übernehmer entsprechend dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 5 Abs. 7 EStG die Verpflichtung unter Berücksichtigung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte ansetzt (BMF 30.11.17, IV C 6-S 2133/14/10001, BStBl I 17, 1619).
In der ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz nach der Übernahme sind Verpflichtungen unter Berücksichtigung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte anzusetzen; insbesondere die Regelungen in § 6a EStG sind zu beachten.
Bei der Bewertung übernommener Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG können bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte unabhängig von der Entscheidung des Rechtsvorgängers in Anspruch genommen werden. Das sog. Nachholverbot nach § 6a Abs. 4 EStG gilt für bei einem Rechtsvorgänger entstandene Fehlbeträge in der ersten Schlussbilanz nach der Übernahme nicht.
Für den Gewinn, der sich aus der Anwendung von § 5 Abs. 7 EStG ergibt, kann gemäß § 5 Abs. 7 S. 5 EStG jeweils i. H. v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).
Scheidet eine Verpflichtung vor Ablauf des Auflösungszeitraums aus dem Betriebsvermögen aus, ist eine für diese Verpflichtung noch nicht aufgelöste Rücklage gewinnerhöhend auszubuchen (§ 5 Abs. 7 S. 6 EStG).
Gewinn im Sinne von § 5 Abs. 7 S. 5 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen den „Anschaffungskosten“ zum Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung und dem in der folgenden Schlussbilanz nach § 5 Abs. 7 EStG anzusetzenden niedrigeren Wert. Scheidet eine übernommene Verpflichtung bereits vor dem folgenden Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen aus, kann für einen sich insoweit ergebenden Gewinn keine Rücklage gebildet werden.
Abzug des Aufwands beim ursprünglich Verpflichteten
Ein Aufwand, der sich für den ursprünglich Verpflichteten in einem nach dem 28.11.13 endenden Wirtschaftsjahr aus einem Übertragungsvorgang ergibt, kann gemäß § 4f Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 52 Abs. 8 EStG grundsätzlich nur auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt als Betriebsausgabe abgezogen werden. Die Verteilung des Aufwands erfolgt durch außerbilanzielle Hinzurechnungen und Abrechnungen (BMF 30.11.17, IV C 6-S 2133/14/10001, BStBl I 17, 1619).
Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung
Bei Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung besteht das bisherige Vertragsverhältnis zwischen dem Freigestellten und dem Gläubiger der Verpflichtung unverändert fort. Der Übernehmer verpflichtet sich, den bislang alleine Verpflichteten von den künftigen Leistungspflichten ganz oder teilweise freizustellen. Die Finanzverwaltung hat mit dem BMF-Schreiben vom 30.11.17 seine Ansicht zur steuerlichen Behandlung grundlegend geändert. Für die Bilanzierung beim Übernehmer oder Beitretenden sowie die bilanziellen Folgen beim Freistellungsberechtigten gelten nunmehr weitgehend dieselben Anwendungsgrundsätze wie bei der Schuldübernahme (BMF 30.11.17, IV C 6-S 2133/14/10001, BStBl I 17, 1619, Rn. 18).
Wird ein Schuldbeitritt mit haftungsbefreiender Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis vereinbart, führt dies zu einer bilanziellen Verlagerung der Pensionsrückstellungen aus der Handelsbilanz des Arbeitgebers in die Handelsbilanz des Schuldbeitretenden. Der Arbeitgeber, der nach wie vor im Außenverhältnis für die Versorgungsverpflichtung haftet, darf auf die Bilanzierung einer Pensionsrückstellung verzichten, wenn so gut wie ausgeschlossen ist, dass er dafür in Anspruch genommen wird (Küting/Pfitzer/Weber/Mayer-Wegelin, § 249 HGB Rn. 619). Genau diese Voraussetzung ist beim Schuldbeitritt mit interner Haftungsfreistellung erfüllt. Der Arbeitgeber wird von seiner Pensionsverpflichtung frei und hat die Pensionsrückstellung dementsprechend komplett aufzulösen. Die bereits gebildeten Rückstellungen sind also zu „entpassivieren“ (IDW, 155. Sitzung des HFA vom 11.9.96, IDW-FN 1996, 529). Die bilanzielle Enthaftung führt zu einer weitestgehenden wirtschaftlichen Enthaftung.
Das der Versorgungsschuld beitretende Unternehmen muss bei allen Formen des Schuldbeitritts der eingegangenen Freistellungsverpflichtung durch Passivierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (Leibrentenverpflichtung) Rechnung tragen. Hierbei handelt es sich weder um eine Pensionsrückstellung noch um eine mittelbare Pensionszusage, für die das Bilanzierungswahlrecht nach Art. 28 Abs. 1 EGHGB besteht, da der Versorgungsberechtigte beim Schuldbeitretenden nicht als Arbeitnehmer tätig ist und es sich insofern nicht um eine Pensionsverpflichtung des übernehmenden Unternehmens handeln kann. Insofern erfolgt die Bewertung der Schuldmitübernahme-Verpflichtung entsprechend § 253 Abs. 2 HGB als Leibrentenverpflichtung, die sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnet. Diese Bewertung ist letztendlich identisch mit der Bewertung einer Pensionsrückstellung, sodass handelsrechtlich die beiden Werte nicht divergieren werden. Die Leibrentenverpflichtung beim Schuldbeitretenden entspricht der Höhe nach der (bilanzierten oder mit der Pensionsrückstellung saldierten) Forderung aus dem Rückgriffsanspruch beim Primärschuldner.